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Nach dem Lkw-Brand: „Keine Hinweise auf Verunreinigung“ – aber eine halbe Million Euro an Kosten

Ein giftiges Lösungsmittel transportierte ein Tanklastzug, der Mitte Juli auf der Autobahn 81 bei Sulz stundenlang brannte (wir haben berichtet). Die Unfallstelle: an einer Autobahnbrücke. Verschmutztes Löschwasser und -schaum flossen daher in Richtung eines darunterliegenden Bachs. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr und des THW sowie ein Vertreter des Umweltschutzamtes taten deshalb schon am Unfalltag alles, um diesen Bach und sein Umfeld zu schützen. Mit Erfolg? Ja, urteilt das Landratsamt im Nachgang. Die Kosten der Maßnahme sind allerdings außerordentlich hoch, wie sich inzwischen herausstellt.

Hartmut Polet macht sich seit einigen Tagen Sorgen. Der Mann, der in der Region als Sulzer Storchenpate bekannt ist, wohnt in Mühlheim am Bach. Jenem Mühlheim, das am 16. Juli unmittelbar von dem Lkw-Brand an der Autobahnbrücke hoch über dem Dorf betroffen war. Zunächst bestand Gefahr, dass durch den Brand giftige Dämpfe frei werden und die Menschen in der näheren Umgebung – die Feuerwehr gab einen Radius von 15 Kilometern an – bedroht sein könnten. Dann durch mögliche Verschmutzung des Bachs, der der Gemeinde ihren Namen gibt. Das treibt Polet immer noch um, deshalb hat er sich vor Ort selbst auch umgeschaut.

So wurde nach dem Unfall eine große Fläche unterhalb der Autobahn ausgebaggert, hat der Naturfreund festgestellt. Das belastete Erdreich sei dann mittels einiger Lkws abtransportiert worden. „Das Erdreich wurde dort mit einer Walze dann verdichtet und zu Hügeln aufgeschüttet. Man sieht auch, dass die Hügel mit Plastikfolien abgedeckt sind.“ Auf der Brücke verbrannte damals stundenlang ein Lösungsmittel. „Der Gestank hängt heute im Bereich der Brücke noch in der Luft“, so Polet, der weiter beobachtet hat: „Im Mühlbach schwimmen seit dem Unfall keine Enten und Reiher mehr. Man sieht auch keine Enten mehr fliegen“.

Bange Frage: „Wie verseucht ist der Bach“

Also: Wie verseucht ist der Bach, ist seine Umgebung? „Die Bürger müssen nach dem Unfall unbedingt informiert werden, welche Schäden in der Umwelt im Unfallbereich entstanden sind“, verlangt der Mühlheimer. Und möchte wissen: „Was passiert mit der belasteten Erde unter der Autobahnbrücke? Wartet eine tickende Zeitbombe auf eine Lösung zur Entsorgung?“ Schließlich sei das Rückhaltebecken, in das Löschwasser und -schaum zunächst geflossen sind, „für so eine Katastrophe nicht ausreichend“. Zudem erfolge kein Alarm, wenn das Rückhaltebecken voll ist. Der ganze Komplex habe keine Überwachung und elektrische Steuerung, er könne demnach unbemerkt überlaufen. Sowieso: „Dass es überhaupt ein Rückhaltebecken gibt, ist nur engagierten Mühlheimer Bürgern zu verdanken“, sagt Polet. Zudem belaste das Wasser bei Starkregen den Mühlbach und führe zu Überschwemmungen, da der Mühlbachkanal seit Jahren mit Geröll aus Richtung Empfingen verstopft sei. Der Mann schließt: „Das Wasser von der Autobahn ist eine Gefahr für den Mühlbach und den Neckar. Man darf gespannt sein, welche Sicherungsmaßnahmen das Autobahnamt und auch das Umweltamt nach dem Unfall veranlassen. Ich möchte keinen Fisch mehr aus dem Mühlbach essen.“

„Einsatzkräfte haben nicht nur beim Feuer umsichtig gehandelt“

Die NRWZ hat seine Fragen und Feststellungen dem Landratsamt Rottweil zugeleitet. Eine Sprecherin betont zunächst: „Herrn Polets Sorge nach dem Unfall auf der A81 kann ich nachvollziehen – allerdings möchte ich auch betonen, dass die Einsatzkräfte nicht nur beim Feuer auf der Autobahn, sondern auch beim Regenklärbecken unterhalb der Brücke sehr umsichtig und mit großer Fachkenntnis gehandelt haben.“ So sei schon während der Löscharbeiten alles getan worden, um den Mühlbach vor dem Toluol und dem verschmutzten Löschwasser und Löschschaum zu schützen. Die Feuerwehr hatte rasch einen eigenen Einsatzabschnitt unterhalb der Brücke eingerichtet, kümmerte sich nicht nur um den Brand hoch oben, sondern auch um die möglichen Folgeschäden darunter. Mit Markus Fehrenbacher übernahm ein stellvertretender Kreisbrandmeister die Leitung dieses Einsatzabschnitts, Fachberater von der Feuerwehr und dem THW waren vor Ort, Einsatzkräfte wurden nachgeordert, es gab eine Dekontaminierungsstation und mit Adrian Karrais einen zuständigen Mitarbeiter des Umweltschutzamtes, der selbst stundenlang vor Ort war.

Jedenfalls: Während der Löscharbeiten gelangte ein Teil des Löschwassers über die Autobahn-Kanalisation in das nachgeschaltete Regenklärbecken. Das habe deshalb von Anfang an im Fokus der Feuerwehr gestanden, bestätigt das Landratsamt. Der Ablaufkanal wurde umgehend verschlossen, sodass auf keinen Fall verschmutztes Wasser vom Ablauf in den Mühlbach gelangen konnte. Wegen der angekündigten starken Regenfälle aktivierte die Autobahn GmbH umgehend vier verschiedene Spezialfirmen mit Saugfahrzeugen, um das Becken leer zu pumpen. Darunter der Entsorger Alba.

„Experten haben keine Verschmutzung festgestellt“

Als doppelte Absicherung seien am Abend außerdem Ölsperren auf dem Mühlbach errichtet worden, die während der Löscharbeiten kontrolliert wurden, „nicht nur durch die Feuerwehr, sondern auch durch unser Umweltschutzamt, das ebenfalls vor Ort war“, so die Sprecherin des Landratsamts namens ihrer Behörde. „An den Ölsperren konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden“, sagt sie. „Dennoch blieben die Sperren noch einige Tage auf dem Bach, um eine mögliche Gefährdung sofort sichtbar zu machen. Glücklicherweise haben die Experten keine Verschmutzung festgestellt.“

„Mein Kollege, der für die fachliche Gewässeraufsicht zuständig ist, hat sich dann nach dem Unfall in verschiedenen Bereichen unterhalb der A81 angeschaut, ob Kleinstlebewesen im Wasser zu finden sind“, berichtet die Landratsamtssprecherin weiter. Diese Kleinstlebewesen seien als Zeigerorganismen besonders anfällig für mögliche Verschmutzungen. Gefunden hat der Mann vom Umweltschutzamt sehr viele Bachflohkrebse und Köcherfliegenlarven unter den Steinen im Mühlbach – „damit ist klar, dass sich kein Rückschluss auf signifikant schädliche Veränderungen im Wassermilieu ziehen lässt“, lautet in der Folge das Urteil. „Ein weiteres sicheres Zeichen dafür ist, dass wir bis heute keine einzige Meldung von den Fischpächtern erhalten haben.“ In der Regel würden Gewässerverunreinigung oder auffällig viele tote Fische, gerade in der Fangsaison, von den Fischpächtern sehr schnell bemerkt und auch schnell gemeldet. Das bedeutet laut Landratsamt: „Es gibt keinerlei Hinweise für eine Gewässerverunreinigung.“

Der Mühlheimer Polet hat außerdem das Regenklärbecken angesprochen. „Die Beckendimensionierung entsprach beim Bau dem Stand der Technik“, heißt es aus dem Landratsamt dazu. „Dass wir in der Vergangenheit wiederholt Meldungen hatten, dass der Mühlbach verfärbt sei, könnte an der Reinigung des Beckens gelegen haben.“ Deshalb sei nach dem Unfall mit der Autobahnmeisterei vereinbart worden, den Reinigungszyklus zu erhöhen und das Becken öfter zu kontrollieren, „was sicher im Sinne von Herrn Polet ist“, sagt die Sprecherin der Behörde und ergänzt. „Wir sind überzeugt davon, dass davon der Mühlbach generell profitieren wird.“

Löschwasser läuft über Bio-Acker

Ein weiteres Problem tat sich am Unfalltag auf: Die Autobahn ist an der Unfallstelle abschüssig – deshalb floss nicht nur das brennende Toluol, sondern auch ein großer Teil des Löschwassers direkt über die Böschung in den angrenzenden Acker, wo es versickerte. Dorthin sind ebenfalls Feuerwehrkräfte gerufen worden. Wegen der Gesamtsituation des Unfalls habe es für die Einsatzkräfte aber keine Möglichkeit gegeben, Löschwasser und Löschschaum zurückzuhalten beziehungsweise zu sammeln. Dazu wütete das Feuer zunächst einfach zu stark, dazu war auch ein Aufenthalt in seiner unmittelbaren Umgebung der entatdnenen giftigen Dämpfe wegen zu gefährlich.

Am Dienstag nach dem Unfall, dem Folgetag, habe sich im Tageslicht das Ausmaß des Schadens gezeigt: Das betroffene Flurstück – ein Acker eines Bio-Bauern – war von unterhalb der Böschung bis fast an das nördliche Ende mit dem Löschwasser-Gemisch überschwemmt worden. „Wegen der guten Bodenqualität und der trockenen Witterung ist das Gemisch tief eingesickert“, heißt es dazu aus dem Landratsamt. „Unser Umweltschutzamt ordnete deshalb eine Sofortmaßnahme an: Der Böschungsbereich, der von der Fahrbahn aus per Bagger erreichbar war, wurde so weit ausgehoben, wie dies technisch möglich war. Zudem wurde festgelegt, dass auch der Boden auf dem betroffenen Flurstück ausgetauscht werden musste.“ Man habe neben der Autobahn GmbH als Träger des Straßenabschnitts und dem Pächter des überschwemmten Geländes sowie der ausführenden Baufirma auch ein auf Geologie und Bodenkunde spezialisiertes Ingenieurbüro hinzugezogen. Ein Bodengutachter habe die gesamte Maßnahme überwacht.

Aushub abgedeckt

Um keine Zeit zu verlieren, sei dann das Aushubmaterial unter der Autobahnbrücke zwischengelagert worden. Die Folienabdeckung dort sei „eine Sicherheitsmaßnahme, damit der Aushub nicht vom Regen ausgespült wird und die Chemikalien nicht erneut in den Boden gelangen“, sagt die Behördensprecherin. Anfangs gingen die Experten nach ihren Angaben davon aus, dass etwa 500 Kubikmeter Erde ausgetauscht werden müssten, am Ende waren es geschätzt rund 2000 Kubikmeter, weil das Toluol weiter eingesickert war als zunächst angenommen.

Die Aushub-Maßnahme habe unter hohem Zeitdruck realisiert werden müssen, denn der Bodenaushub an der Böschung erschien in Bezug auf die Standsicherheit der Böschung kritisch, vor allem vor dem Hintergrund, dass weitere starke Regenfälle angekündigt waren. Deshalb sei nach der Entnahme von Beweissicherungsproben an der Aushubsohle eine schnelle Verfüllung der Baugrube veranlasst worden. Dazu habe entsprechendes Verfüllmaterial nicht nur kurzfristig besorgt, sondern auch von den Geologen begutachtet werden müssen, ob es sich für den Zweck eignet. Inzwischen sei die Fläche wieder verfüllt – was noch fehlt, ist das Oberbodenmaterial. Aber auch das sei bereits geordert und sowohl vom Geologen als auch vom Pächter als dazu geeignet eingestuft worden, den Ausgangszustand des Ackers wieder herzustellen.

Was die Entsorgung des Aushubs anbetrifft: „Bevor das Material entsorgt werden kann, musste es vom hinzugezogenen Ingenieurbüro zunächst beprobt und untersucht werden“, heißt es dazu aus dem Landratsamt. „So lange nicht klar war, in welche Entsorgungsklasse es eingestuft wird, kann es natürlich auch nicht entsorgt werden. Je nach Entsorgungsklasse gelten laut Deponieverordnung unterschiedliche Vorgehensweisen.“ Jetzt, ganz aktuell, lägen die Ergebnisse vor: Es handele sich nicht um Sondermüll. Das Material werde nun von der Autobahn GmbH auf eine dafür geeignete Deponie zur Entsorgung gebracht.

Landratsamt legt sich fest: „Keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit“

Hartmut Polet erklärte auch: „Die Bürger müssen nach dem Unfall unbedingt informiert werden, welche Schäden in der Umwelt im Unfallbereich entstanden sind“. Dazu schreibt die Sprecherin des Landratsamts Rottweil: „Ich bedaure, dass Herr Polet sich nicht gut informiert fühlt – unser Umweltschutzamt war mit allen Beteiligten in sehr engem Austausch, selbstverständlich auch mit dem Landwirt, dem der betroffene Acker gehört. Während des Brandes wurde die Bevölkerung über alle gängigen Alarmsysteme vor der Rauchentwicklung gewarnt und über verschiedene Kanäle auf dem Laufenden gehalten.“

Nun aber gebe es „keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit“, legt sich das Landratsamt fest. Und zwar „dank des engagierten Einsatzes aller Kräfte vor Ort und den schnell angeordneten Maßnahmen inklusive der Beteiligung von Geologe und Bodengutachter.“

Abschließend noch ein Wort zu den Kosten für den Aushub, den Transport des Materials und die Entsorgung – erste Schätzungen liegen bei mehr als einer halben Million Euro.

Mehr zu dem Unglück unter www.nrwz.de/kreis-rottweil/tanklastzug-auf-der-a-81-brennt-rettungskraefte-im-einsatz-523609.html




Peter Arnegger (gg)

… ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.

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